Aust Konzerte präsentiert

Mi • 17.09.201421:00

Sylvan Esso (USA) -Live-

Sylvan Esso sind ein Duo, Nick Sanborn ist ein schlaksiger Derwisch, ehemals bei der Band Megafaun beschäftigt, der die Zeit auf  der Bühne zumeist  in wilder Bewegung verbringt, während seine meterlangen Arme auf zentimeterkleine Apparate hauen, um damit präzise Arrangements sowie blauwalschwere Bässe in die Anlage zu pumpen. Der musikalische Gegenpol ist Amelia Meath, zuständig für den Soul, ehemals bei Mountain Man, dem Vokal-Folk Trio auf Bella Union, das Leslie Feist vor nicht allzu langer Zeit komplett für ihre letzte Welttournee eingekauft hatte. Beide entwickeln auf der Platte und auch live ein Charisma, dem man sich nur schwer entziehen kann. 
 
Wie schon eingangs erwähnt, ist das selbstbetitelte Sylvan Esso Album eine  aussergewöhnliche Pop Platte, die diese Bezeichnung wirklich verdient. Nie langweilig, immer sprudelnd, immer überraschend, nie platt und nie banal. Ein Album, auf dem mal ausnahmsweise nicht jeder Song gleich klingt und trotzdem alles rund ist und passt. Teilweise spartanisch, aber immer mit Gefühl, gerne auch überschwänglich, aber auf alle Fälle immer so addictive, dass man es nicht aus dem Kopf kriegt. Hier ist nichts zuviel und nichts zu wenig, die Stimme von Amelia Meath fügt sich perfekt in die Arrangements von Nick Sanborn.

Gleich der Opener weist den Weg: Die Stimme baut langsam Schicht für Schicht einen Turm über merkwürdiges Grundrauschen. Irgendwann stösst dazu ein Satz Handclaps und wiegt einen unschuldig in Sicherheit, man denkt, man weiß was da kommt, bis wie aus dem Nichts ein Bass droppt, ein Bass, der einem die Pluderhose flattern lässt und so das schön organisch anfangende Stück hinüber ins Digitale abgleitet. Direkt danach folgt „Dreamy Bruises“, eine weitere Mitsing Hymne mit schneidendem Synthesizer Unterbau und effektiv verschlepptem Break Dance Beat, der einem penetrant den Befehl zum Tanzen morst. Dann gleich die nächste Hymne, jetzt aber richtig, „Could I Be“, ein Lied zu dem man sich morgens um 6 Uhr auf dem Freiluftrave im Wind wiegen möchte. Und so geht es weiter, wie gesagt, Hit auf Hit: Ohrwurm Alarm. Unbedingt empfehlenswert sind alle, unbedingt erwähnenswert sind noch: „Coffee“, die erste Single, die bereits auf Dauerrotation der College Sender läuft, sowohl in den USA als auch hierzulande. Das ist bestimmt einer der besten R&B Songs des Jahres, wenn man bei R&B noch an was anderes denken mag, als an DRAKE. Außerdem „Play It Right“, der Song, mit dem alles begann, als A capella, ursprünglich von Mountain Man, bat Amelia doch Nick einen Remix dafür zu machen. Dabei blieb es aber nicht, bei der Arbeit am Remix wurde Nick sofort klar, dass es um mehr ging. Er rief Amelia an und das wurde die Geburtsstunde von Sylvan Esso. 
 
Aber wer hätte damit gerechnet, dass das frischeste elektronische Pop Album des Jahres ausgerechnet aus North Carolina kommt! Genauer gesagt aus Durham, dem Göttingen der Ostküste (Universitätsstadt, irgendwie hip, aber verschlafen). Viel eher hätte man das ja aus London erwartet oder vielleicht New York oder irgendwo aus Kalifornien.
 
North Carolina hat natürlich seinen Beitrag geleistet zur Geschichte der Popmusik (von George Clinton und John Coltrane über Corrosion of Conformity zu Superchunk), ist aber in den letzten Jahren musikalisch nicht sonderlich aufgefallen. Sicher, MERGE Records haben seit nunmehr 25 Jahren in Chapel Hill ihren Stammsitz, aber das war es dann auch. Eventuell hat es ja gerade mit der studentischen Verschlafenheit der Gegend zu tun, dass dieses Album aus der Kraft der Abgeschiedenheit eine so wunderbare  Energie saugt. Sylvan Esso bauen ihre federleichten Songs ohne  großstädtische Hektik zusammen, lassen ihnen Zeit sich zu entwickeln und haben dennoch mal eben eines der modernsten und zeitgenössischsten Debutalben der letzten Jahre hingelegt. Um so spannender, dass die beiden Mitte Mai ihren Computerfolk im Berliner Berghain zum Besten geben werden, denn da treten sie vor den tUnE-yArDs auf und werden, genau wie neulich vor Wye Oak, mit ihrer euphorischen Art und diesen wunderbaren Songs ein gänzlich unvorbereitetes Publikum in genau diesem Tempel des urbanen Hedonismus zum Tanzen bringen.  

Eintritt 15 €